Rein und unrein – Riten und Rituale in biblischer und jüdischer Tradition (SoSe 2011)
Vortragsreihe in der Synagoge in Mainz-Weisenau
veranstaltet von der Abteilung Altes Testament der Katholisch-Theologischen Fakultät der JGU Mainz und dem Förderverein Synagoge Mainz-Weisenau e.V.,
gefördert durch die Deutsche Bundesbank,
unterstützt durch das Studium generale der JGU Mainz
Termine: Donnerstag, 28. April, 12. Mai, 30. Juni, 14. Juli 2011
Zeit: 18:30 Uhr
Ort: Synagoge Mainz-Weisenau, Wormser Str. 31, 55130 Mainz
28. April 2011
Prof. Dr. Thomas Hieke (Mainz)
„Sie sollen sich mit Wasser waschen: Rituelle Reinheit und Kultfähigkeit nach dem biblischen Buch Levitikus“
Abstract:
Die biblischen Reinheitsvorschriften von Levitikus 11-15 sind heute auf den ersten Blick obsolet, insbesondere im Christentum. Dabei bleibt leicht verborgen, dass diese Kapitel in der Tradition beider Religionen eine kraftvolle Wirkungsgeschichte entfaltet haben. Die zugrunde liegenden und dann auch transformierten Vorstellungen wirken lange Zeit nach und beeinflussen liturgische Praktiken, Alltagsrituale, Auffassungen über Sexualität und vieles mehr. In dem einführenden Vortrag sollen die Basisvorstellungen von »rein« und »unrein« nach dem biblischen Text erarbeitet werden. Neben der Begrifflichkeit selbst geht es um theologische Konzepte: Reinheit als Kultfähigkeit und Heiligkeit als Nachahmung Gottes – wie steht beides im Verhältnis zu einander? Wodurch wird man eigentlich »unrein« – und wie wieder »rein«? Was hat das eigentlich mit »Sünde« zu tun, und macht ein moralisches Vergehen »unrein«?
12. Mai 2011
Prof. Dr. Hanna Liss (Heidelberg)
„Theorie und Praxis der rituellen Reinheit im mittelalterlichen aschkenasischen Judentum“
Abstract:
Der Vortrag beschäftigt sich mit den Gesetzen zur rituellen Reinheit im mittelalterlichen aschkenasischen Judentum. Es geht dabei um die Frage, warum bestimmte Gruppierungen wie die sog. „deutschen Frommen” (sozialdynamischer Faktor: aschkenasische Elitebildung) zu bestimmten Zeiten (geschichtsdynamischer Faktor: Judenverfolgung und -vertreibung) entweder eine verstärkte theoretische Beschäftigung mit den Gesetzen zur kultischen Reinheit oder eine praktische Intensivierung der Reinheitsrituale entwickelt haben, welche Praktiken von welchen Diskursen bestimmt sind, und welche innovativen Elemente in den Diskurs über rituelle Reinheitsgesetze gegenüber der klassisch-rabbinischen Anschauung in der Antike eingebracht werden.
30. Juni 2011
Prof. Dr. Dorothea Erbele-Küster (Brüssel)
„Die kultische Unreinheit der Frau im AT und im Judentum“
Abstract:
Die Reinheitsbestimmungen in Vayikra / Leviticus 11-15 rücken den Körper in den Mittelpunkt, den männlichen wie den weiblichen. Beide Körper unterliegen Zeiten der Unreinheit, d.h. Kultunfähigkeit. In der Auslegungsgeschichte scheint es jedoch so, dass der männliche Körper mit der Beschneidung der Unreinheit entledigt ist. Am männlichen Körper ist das Gottesverhältnis, die Beziehung zum Kult, durch einen einmaligen Akt eingraviert, während sich dies im weiblichen Körper wiederkehrend in der Einhaltung der Reinheitsbestimmungen mit Blick auf die Menstruation vollzieht. Die Differenzen zwischen den Geschlechtern werfen Fragen auf: Wie ist der spezifische Begriff niddah zu verstehen, mit dem die Frau während ihrer Menstruation bezeichnet wird? Welcher Art sind die Geschlechter- und Körperkonstruktionen, die die Einhaltung der Reinheitsvorstellungen normieren?
14. Juli 2011
Prof. Dr. Hubertus Lutterbach (Duisburg-Essen)
„Rein und unrein. Ein Schlüsselthema der Christentumsgeschichte“
Abstract:
Der religionsgeschichtlich argumentierende Vortrag geht aus von der Unterscheidung zwischen der primärreligiös-kultischen und der innen-orientiert-ethischen Reinheit. Mit dieser Messlatte soll epochenübergreifend gefragt werden, wie es dazu kommen konnte, dass die Sexualität im Laufe der Christentumsgeschichte als etwas Negatives klassifiziert wurde, während die Zeugnisse des Neuen Testaments hier eine andere Sprache sprechen. Selbstverständlich lässt sich die längsschnittartig rekonstruierte Bewertung der Sexualität im Christentum nicht abkoppeln von einem entsprechenden ‚Seitenblick‘ auf andere Religionen. Zugleich geht es im Vortrag um religionsgeschichtliche Perspektiven für eine Neubewertung von Sexualität in der Gegenwart.